Kulturelles Highlight
Die Zunftkirche in Bichlbach oder „Bichlskirche bzw. Josefskirche“, wie sie die „Bichlbacher“ liebevoll nennen, ist ein wahres, kulturelles Juwel in der Tiroler Zugspitz Arena. Wie sich die Zunft in Bichlbach um den Erhalt kümmert und warum dieser Ort so besonders ist, erklärt Paul Strolz, der geschäftsführende Präsident der Zunftbruderschaft.
Paul Strolz ist seit 2015 der geschäftsführende Präsident der Zunftbruderschaft St. Joseph zu Bichlbach. Als gebürtiger Bichlbacher hat er eine besondere Bindung zur Zunftkirche. „Ich lernte die Kirche schon in den 60er Jahren kennen“, betont Paul Strolz. Damals sei sie noch sehr zerfallen und desolat gewesen. „Mein Vater war der erste Obmann des Renovierungsausschusses und auch ich durfte als junger Bub bei der Renovierung dabei sein und helfen“, berichtet Strolz weiter. „Das bleibt einem jungen Menschen lange in Erinnerung.“ Deswegen habe er auch nicht lange überlegen müssen, als ihn der damalige Bürgermeister bat das Amt des geschäftsführenden Präsidenten der Zunft in Bichlbach zu übernehmen. „Durch die Vorgeschichte mit meinem Papa Josef wusste ich sofort, dass ich annehme und jeden Tag mein Bestes geben werde, gemeinsam mit den Mitgliedern des Bruderschaftsrates, um diese Kirche zu erhalten und die Zunftbruderschaft weiterhin mit Leben zu erfüllen“, erklärt Herr Strolz.
„Um die Geschichte der Zunftbruderschaft zu verstehen, müssen wir etwas zurück gehen in der Zeit“, schildert der Bichlbacher. „Ganz kurz beschrieben gabs am vierten Februar 1689 ein schweres Lawinenunglück im benachbarten Ort Lähn von Bichlbach. Der damalige Pfarrer Lucas Egger hat auf Grund dieser Katastrophe ein Gelöbnis abgegeben und sagte er will eine Bruderschaft gründen und eine Kirche bauen“, führt Strolz weiter aus. „Das hat er beides gemacht.“ So war also die Zunftbruderschaft St. Joseph zu Bichlbach geboren. „Man sagt Handwerks oder Zunftbruderschaft. Denn das Wort Zunft steht für Handwerk”, erläutert Herr Strolz. Ab 1694 war Bichlbach deswegen der Mittelpunkt aller Handwerker des Außerferns.
Die Handwerker erbauten die Zunftkirche 1710. „Es ist die einzige in ganz Österreich“, unterstreicht Herr Strolz. Die Hauptaufgabe der Zunftbrüder – und Schwestern heute ist die Erhaltung dieser Kirche. „Es ist ein barockes Juwel. Durch die Auflassung der Zünfte ab 1859 geriet diese wunderbare Kirche in Vergessenheit. 1973 erschien dann ein Zeitungsartikel mit der Überschrift: „Bichlbach – Schauplatz eines Kulturskandals – Österreichs einzige Zunftkirche vor dem Verfall?“ Das war der Startschuss für die sorgfältige, liebevolle Renovierung. Die feierliche Einweihung und Übergabe erfolgte am 12. und 13. Oktober 1974. Heute sorgen wir dafür, dass die Geschichten erhalten bleiben und Menschen sich immer an dieses Juwel erinnern werden. Es ist ein ganz besonderer Ort“, schwärmt Paul Strolz von der Kirche. Die Zunftkirche ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet, wer sich dafür interessiert, kann sie jederzeit besuchen.
Die Kirche ist einfach gestaltet und bietet trotzdem viele Highlights. Darunter ein von Wunden übersätes Kruzifix, das jedem Besucher sofort ins Auge sticht. „Das ist ein sogenannter Wundmalchristus, Tropfheiland, kurz auch Pestkreuz genannt (1611 brach die Pest aus und 1635/36 waren Seuchenjahre in Bichlbach). Mit vier anderen, im Tiroler Oberinntal befindlichen Wundmalkruzifixen, gibt es große Ähnlichkeit. Also ein ganz seltenes, besonderes Kunstwerk“, unterstreicht Paul Strolz.
Neben der Zunftkirche gibt es noch das Zunftmuseum zu sehen. Das Museum befindet sich im Zunfthaus (altes Widum). „Die wertvollen musealen Gegenstände zeigen die abwechslungsreiche Geschichte der lebendigen Zunft im Außerfern. Aber auch viele alte Werkzeuge, wie sie im 17. bis 19. Jahrhundert verwendet wurden, gibt es zu bestaunen“, erklärt der geschäftsführende Präsident. „Das Haus so wie es heute steht wurde 1761 erbaut und 2006 nach einer sorgfältigen Renovierung wiedereröffnet.“
Derzeit wird im Zunftmuseum die Geburtsurkunde zur Zunftbruderschaft St. Joseph zu Bichlbach ausgestellt. Diese wurde in der „Sammlung Jäger“ in Ötz (Ötztal) 2017 durch einen Zufall entdeckt. Sie beinhaltet sogar die Zunftbeilade Holzgau (Lechtal). Nach derzeitigem Wissenstand handelt es sich um die älteste noch vorhandene Gründungsurkunde einer Bichlbacher Beilade, in der alle vorangegangenen Verträge und Beschlüsse gemeinsam in ein Buch gebunden und vom Gerichtsherrn beglaubigt worden sind. Es ist das einzige Original (Abschrift), das in Faksimile mit Transkription in Buchform bestaunt werden kann.
„Die Zunftbruderschaft St. Joseph arbeitet seit der Wiedereinführung 1977 nach erneuerten Regeln. Im Bruderschaftsrat sind die Aufgaben klar verteilt. Ein besonderes Highlight ist die jährliche Zunftfeier und Bruderschaftsversammlung am 19. März. Seit 2010 wird jährlich ein symbolischer Sozialpreis verliehen. Der Sozialpreis zeichnet herausragende Leistungen im Bereich des Sozialwesens mit regionalem Bezug unter Berücksichtigung der Inhalte eines christlichen-sozialen Weltbildes aus. Wir haben auch eine offene Mitgliedschaft“, erklärt Strolz. Das bedeutet, jeder kann Mitglied der Zunftbruderschaft werden: Damen, Herren, Betriebe oder Institutionen. Um Mitglied zu werden, müssen Interessierte nur auf die Website der Zunftbruderschaft gehen und die Beitrittserklärung ausfüllen. Nach Vorlage bestätigt der Bruderschaftsrat die Aufnahme. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 20 Euro jährlich. „Wir leben von diesen Beiträgen und Spenden durch die Führungen. Das Geld verwenden wir, um die Zunftkirche zu erhalten und Renovierungen zu begleichen. Mit dem Beitrag leistet jeder einen wesentlichen Anteil, um dieses einzigartige barocke Juwel zu erhalten“, erzählt Strolz.