Menschen vor Berghütte | © AlphaVision Filmproduktion
Arena Redaktion, 11.11.2024

Der sagenhaften Bergwelt auf der Spur

Das kulturelle Erbe der Tiroler Bergwelt lebt in alten Geschichten weiter, die von Generation zu Generation erzählt werden. Wer ihnen auf den Grund geht, entdeckt Kurioses, Historisches und Bedrohliches.

Die Bergwelt steckt voller Geheimnisse, die seit vielen Generationen weitererzählt werden – von Urgroßmutter zur Urenkelin, vom Onkel zum Neffen, unter Freunden auf der Hütte oder beim Heimatunterricht in der Schule. Dass sie überhaupt in dieser Menge und Vielfalt entstanden sind, hat vor allem mit der Nähe zur Natur zu tun. In einer vortechnischen Welt hatte der Wind eine Stimme, bekamen die Tiere einen Charakter zugeschrieben, spielten Licht und Schatten im Wald und am Wasser mit der Fantasie der Menschen. Weil Bücher oder Zeitungen, Luxus und Fernsehen oder Radio noch gar nicht erfunden waren, teilten die Leute ihre sagenhaften Beobachtungen miteinander – Unterhaltungsprogramm im besten Sinne.

Krampusse | © Tiroler Zugspitz Arena / Zotz Lea

Die Tiroler Bergwelt: Fundgrube für alte Geschichten

Im Lauf der Zeit haben solche Sagen ein Eigenleben entwickelt. Im Wettbewerb der modernen Medien sind sie etwas in Vergessenheit gerückt, dienen aber gleichwohl den Redaktionen von heute als Inspiration für Sendungen, die aus dem Rahmen fallen.

So war das österreichische Fernsehen ORF schon mehrmals auf den Spuren alter Erzählungen in der Tiroler Zugspitz Arena unterwegs. Als „Sagenjäger“ forscht dort der Schauspieler Max Müller, bekannt als „Polizist Michi“ bei den Rosenheim Cops, nach ihrer Herkunft und Bedeutung.

Warum ihre Heimat eine Fundgrube für diese alten Geschichten ist, weiß Laura Berkmann aus dem Tourismus-Team der Tiroler Zugspitz Arena. Sie hat den Sagenjäger und sein Team bei ihren Recherchen und Drehs begleitet: „Die Sagen spielen eine wichtige Rolle, weil sie nicht nur als spannende Erzählungen dienen, sondern auch das kulturelle Erbe der Region bewahren. Viele der alten Geschichten beschreiben die Landschaft oder historische Ereignisse.“ Wer noch mehr dazu wissen will, dem empfiehlt sie das Buch „Sagenhaftes Außerfern“ von Peter Linser, denn es ist „eine echte Schatztruhe“.

Menschen im Saal

Spukige Sagen von der Hochalm

Aus der langen Liste spannender Themen, die aus der Sammlung der gesamten Sagen in der Region hervorgingen, wählte die Produktionsfirma jene vom Hochalpgeist für den ersten von drei Filmen. Sie erzählt vom Geist eines ruhelosen Senners, der auf den Hütten, in den Ställen und in der Natur rund um die Heiterwanger Hochalm seinen Schabernack trieb und den Menschen Angst einjagte. „Man hörte ihn in Holzschuhen aus- und einlaufen, im Keller rumoren und Holz hacken, im Stall beim Vieh fluchen und schimpfen, ja sogar weinen“, heißt es in der Erzählung. „Bei der größten Finsternis ließ er mitunter die Tiere von den Ketten los oder verwickelte diese so, dass man das Vieh nur mit geistlicher Hilfe wieder losbringen konnte.“

Was auch immer hinter den wilden Geschichten steckte, ob sie Kinder zum Gehorsam erziehen oder Eindringlinge von bestimmten Gebäuden und Flächen fernhalten sollten: Ihre Wirkung hatte es in sich. Bis heute sogar, denn auf einem der drei Escape Trails von Berwang lässt sich die Geschichte in Eigenregie nacherleben.

Filmteam im Freien | © AlphaVision Filmproduktion

Das Untier vom Drachensee und weitere Legenden

Inzwischen war das TV-Team noch zwei weitere Male in der Gegend unterwegs. Eines der Erlebnisse des „Sagenjägers“ führte zum Drachensee, in dem angeblich ein ganzes Dorf versunken ist und in dem ein Untier haust, das unvorsichtige Badegäste in die Tiefe zieht. Max Müller recherchierte bei Hüttenwirt Christian und bei der Bergrettung. Mit einem Geschichtskundigen sortierte er historische Fakten ein und vom Bergwerksverein Silberleithe sowie vom Alpenverein erhielt er wertvolles Hintergrundwissen. Mit diesem Wissen findet er Bergstollen, die es nicht geben sollte, und erfährt Überraschendes über den längst vergessenen Bergbau in den hochalpinen Regionen des Tiroler Außerferns. Eine Welt, die nicht nur Fernsehleuten offensteht, sondern allen, die sich mit wachen Sinnen auf die sagenhafte Bergwelt einlassen.

Filmteam im Freien | © AlphaVision Filmproduktion

Bleibt dem Bergwerk fern!

Warum die Bergwerk-Sagen so gruselig ausfallen? Das hängt mit dem Abbau kostbarer Erze zusammen. Sie sollten bewusst abschreckende Wirkung haben. Manches sagenhafte „Manderl“ entspringt den Begegnungen mit kleinwüchsigen Menschen aus der Region südlich der Alpen, die sich in den Erzminen ihren Lebensunterhalt verdienten. Für die Einheimischen waren sie exotische Wesen in einer Natur voller Zauber. Gleichzeitig sollten Neugierige ferngehalten werden, die an der Beute aus dem Erdinneren teilhaben wollten. Je gespenstischer es an solchen Stellen zuging, desto effizienter die Botschaft der Sage.

Menschen im Wald | © Tiroler Zugspitz Arena / Fröhlich Jasmin

Eindrucksvolle Botschaft

Der moralische Zeigefinger wiederum mag bei jenen die Feder geführt haben, welche die Geschichte vom „Wachtkreuz“ aufgeschrieben haben. Auf einer Winterwanderung aus Lermoos hinaus reckt es uns bis heute an einem Ort, der „Wacht“ heißt, seinen schaurigen Schatten entgegen. Es erinnert an eine Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, als ein Dutzend übermütiger und maskierter junger Männer – wie man sie von den Krampus-Läufen kennt – nach Biberwier hinüberzog, um Fasching zu feiern. Nach einer wilden Nacht gesellte sich ein 13. Begleiter zu ihnen, unheimlich und finster, der Leibhaftige. Die Begegnung ging ihnen und den ihren so unter die Haut, dass anschließend auf lange Zeit der Fasching am Ort ausfiel. Die Moralwächter, so weiß man heute, hatten ihre Botschaft wirkungsvoll platziert.

Menschen vor Berghütte | © AlphaVision Filmproduktion

Die Sagen der Bergwelt leben bis heute weiter

Die Sagen leben weiter. Mal sind es kleine Bilder, die Hauswände zieren, manchmal Schnitzereien in Kirchen oder im Gebälk alter Gasthäuser: So vielfältig wie die Landschaft und Natur in der Tiroler Zugspitz Arena, so bunt und voller Überraschungen ist ihre Sagenwelt. Ob Tag oder Nacht, ob Winter oder Sommer, ob am Talboden oder oben an der Baumgrenze – wer genau hinschaut, wird die Figuren und Gesichter aus alter Zeit erkennen. Alle anderen sollten die Ohren spitzen, was ihnen das Rauschen des Windes in den Ästen erzählt.

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